Nach einem Jahr unter Blockade ist die Bevölkerung von Djibo von Hunger bedroht (IPC Stufe 5)

Ein ganzes Jahr ist vergangen, seit nichtstaatliche bewaffnete Gruppen, die der Jama‘at Nasr al-Islam al Muslimin (JNIM) angehören, im Februar 2022 eine Blockade über die Gemeinde Djibo verhängten und eine Bevölkerung von etwa 360.000 Menschen einkesselten, von denen 75 Prozent Vertrie-bene aus anderen Orten in der Sahelzone waren. Während mindestens 10 weitere Sahel-Gemeinden ebenfalls Blockaden ausgesetzt sind, war die derzeitige Blockade von Djibo die längste und restriktivste, da militante Gruppen die vollständige Kontrolle über das Gebiet anstreben. Die isolierte Bevölkerung von Djibo sieht sich mit einer Knappheit an Nahrungsmitteln, Wasser und Medikamenten konfrontiert, und viele Haushalte erleben er- hebliche bis extreme Defizite beim Nahrungsmittelverbrauch und die Erschöpfung von Überlebensstrategien. Obwohl Zugangsbeschränkungen die Datenerhebung behinderten, deuten übermittelte Berichte von humanitären Partnern und wichtigen Informanten auf sichtbare und weit verbreitete Anzeichen von Auszehrung bei Kindern und schwangeren oder stillenden Frauen sowie auf ein atypisches Niveau von hungerbedingten Todesfällen hin. Diese sehr hohen Niveaus akuter Ernährungsunsicherheit entsprechen Notsituationen (IPC-Stufe 4) und Katastrophen (IPC-Stufe 5), und es ist sehr wahrscheinlich, dass die Blockade fortgesetzt wird. Obwohl eine Hungersnot (IPC-Stufe 5) derzeit nicht als das wahrscheinlichste Szenario angesehen wird, da die Haushalte Zugang zu Ernte- und Gemüseprodukten haben und nur wenig Hilfe vorhanden ist, schätzt FEWS NET (Famine Early Warning Systems Network), dass Djibo im Falle einer Zunahme der Unsicherheit im Zeitraum von Februar bis September 2023 einem Risiko einer Hungersnot (IPC-Stufe 5) ausgesetzt sein würde. Bewaffnete Gruppen kontrollieren die Zugangswege nach Djibo, zerstören Brücken, Wasser- und Kommunikationsinfrastrukturen und schränken die normalen Güterlieferungen ein. Die verfügbaren Berichte legen nahe, dass die meisten Haushalte ihr Vieh verkauft oder geschlachtet haben und nur sehr begrenzten Zugang zu Ackerland für die landwirtschaftliche oder Gemüseproduktion und wenig oder kein Einkommen aus typischen Aktivitäten wie Goldschürfen und Viehzucht haben. Nach Angaben von Schlüsselinformanten erntete der geringe Prozentsatz der Haushalte, die über die nötigen Ressourcen verfügten, um in der Regenzeit 2022 Grundgetreide anzubauen, nur ein bis zwei Monatsvorräte, im Vergleich zu den üblichen sechs Monaten. Der Markt kann nur unter militärischer Begleitung beliefert werden, und die Unsicherheit führt zu Lieferverzögerungen von mehr als drei Monaten, wobei die letzte Lieferung Ende November 2022 erfolgte. Obwohl die Informationen über die Marktdynamik begrenzt sind, legen verfügbare Berichte nahe, dass der Markt nicht mehr funktionsfähig ist, es zu schweren Lebensmittelengpässen kommt und nur eine kleine Anzahl von Menschen Getreide informell kaufen und verkaufen kann. Die Preise für Hirse, Mais und Sorghum erreichten im Januar erstaunliche 1.300-1.600 CFA/kg (zwischen 2,- und 2,45 €) und lagen damit rund 600 Prozent über dem Durchschnitt. Seit Mitte Januar berichten die wichtigsten Informanten, dass keines dieser Getreidearten mehr erhältlich ist. 

Da die Blockade von Djibo keine Anzeichen für ein Ende zeigt, dürfte die Zivilbevölkerung in den kommen- den Monaten auf den Gemüseanbau rund um den Djibo-Staudamm, das Sammeln von Wildfutter, begrenzte humanitäre Nahrungsmittelhilfe und seltene Lieferungen von Markt- produkten angewiesen sein, um zu überleben. Wichtige Informanten berichten, dass die Mehrheit der Bevölkerung bereits ganze Tage und Nächte ohne Essen verbringt, und dass Betteln und Diebstahl zugenommen haben. Humanitäre Hilfe kann nur in kleinen Mengen aus der Luft geliefert werden, was etwa 20-25 Hubschrauberflüge pro Monat erfordert, um 30 Prozent der monatlichen Ration der Bevölkerung abzudecken. Diese Hilfe wird umverteilt und auf eine größere Anzahl von Haushalten aufgeteilt, aber diese Mengen reichen nicht aus, um das Ausmaß ihrer Defizite beim Nahrungsmittelverbrauch deutlich zu mildern. Angesichts der begrenzten Finanzierungsniveaus und der logistischen Einschränkungen bei der Ausgabe wird die humanitäre Nahrungsmittelhilfe höchstwahrscheinlich bis September auf diese geringen Mengen beschränkt bleiben. Im wahrscheinlichsten Szenario wird erwartet, dass die bewaffneten Gruppen in ihrem Interesse, die vollständige Kontrolle über Djibo zu erlangen, den Status quo aufrechterhalten, wodurch die geplanten Marktlieferungen per Eskorte eingeschränkt werden und die Zivilbevölkerung nur marginalen Zugang zu Nahrungsmitteln, einschließlich humanitärer Hilfe, hat, um zu überleben. Daher werden die Ergebnisse der Notsituation (IPC-Stufe 4), mit einigen Haushalten in der Katastrophensituation (IPC-Stufe 5), wahrscheinlich anhalten, was zu einem atypisch hohen Niveau an akuter Unterernährung und hungerbedingten Todesfällen führt. Es gibt jedoch ein glaubwürdiges Alternativszenario, in dem eine Hungersnot (IPC-Stufe 5) eintreten könnte, angesichts des hohen Anteils der Bevölkerung, die bereits mit akuter Ernährungsunsicherheit konfrontiert ist, und des Potenzials einer sich verschlechternden Sicherheitslage. Wenn die bewaffneten Gruppen ihre Angriffe in der Gemeinde intensivieren, wird dies die Bewegungsfreiheit der Bevölkerung und ihre Fähigkeit, entlang des Staudamms Gemüse anzubauen, die Stadt zu verlassen, um wilde Nahrungsmittel zu sammeln und landwirtschaftliche Aktivitäten während der Regenzeit von Juli bis September durchzuführen, weiter einschränken. Wenn der Markt vor diesem Hintergrund weiterhin nicht versorgt wird und die humanitäre Hilfe weiter zurück geht, wird es wahrscheinlich zu einer Hungersnot (IPC-Stufe 5) kommen. Es ist dringend erforderlich, die Zahl der humanitären Hilfslieferungen aus der Luft deutlich zu erhöhen, Maßnahmen zur Gewährleistung eines vollständigen humanitären Zugangs zu ergreifen und die Blockade von Djibo zu beenden, um das Risiko einer Hungersnot (IPC-Stufe 5) zu beenden. 

Aus Famine Early Warning Systems Network vom Februar 2023 Übersetzung: Christoph Straub