Klimapartnerschaft Ludwigsburg-Kongussi
Im letzten Heft stellten wir die Klimapartnerschaft zwischen Silly und Viernheim vor, heute lernen Sie die zwischen Kongoussi und Ludwigsburg kennen.
Die Anfänge: Engagement für Afrika und Gründung der trilateralen Entwicklungszusammenarbeit Ludwigsburg–Montbéliard–Kongoussi
Ludwigsburg engagiert sich seit 2006 in Kongoussi (Burkina Faso). Anlass für dieses Engagement war ein Appell des damaligen Bundespräsidenten Horst Köhler, „Afrika im Kampf gegen Armut, Aids, Umweltzerstörung und Terrorismus nicht allein zu lassen“. Daraufhin unterzeichneten am 26. Juli 2006 die Oberbürgermeister von Montbéliard und Ludwigsburg sowie Bürgermeister weiterer Partnerstädte in einem feierlichen Akt die sogenannte „Afrika-Deklaration“. Sie ist eine gemeinsame Initiative zur Bekämpfung von Hunger, Armut und Analphabetismus in Afrika und bildet den Grundstein für die trilaterale Partnerschaft zwischen Ludwigsburg, Montbéliard und Kongoussi und damit auch für die kommunale Entwicklungspolitik in Ludwigsburg. Ab 2008 wurde die Entwicklungszusammenarbeit in Ludwigsburg maßgeblich durch den Förderkreis Burkina Faso e.V. unterstützt. Diese trilaterale Kooperation führte zu verschiedenen gemeinschaftlichen Projekten in der Bildung und Ausbildung, der Existenzsicherung in Dörfern und der Förderung von Frauen. Als herausragendes Projekt kann der Uferschutz des Bamsees genannt werden. Zum Schutz der empfindlichen Uferzone und zur Verringerung des Sandeintrags in den See wurden am westlichen Ufer auf 10,5 km Länge 3.000 Bäume gepflanzt. Die französische Partnerschaft Montbéliard bepflanzte das gegenüberliegende Ufer.
Warum Kongoussi?
Die Deutsche Welthungerhilfe half bei der Auswahl einer Gemeinde in Afrika. Mit dem Hinweis, dass Burkina Faso das drittärmste Land des Kontinents sei, verwies die Welthungerhilfe auf die Kommune Kongoussi. Kongoussi war eines der 15 Dörfer in Afrika, Lateinamerika und Asien, in denen die Welthungerhilfe bis 2010 bzw. 2015 zeigen wollte, dass die Millennium-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen erreichbar sind, ähnlich dem Programm der Milleniumsdörfer der Vereinten Nationen. In Kongoussi und insbesondere in den 57 dazugehörigen umliegenden Dörfern waren der Wassermangel und der Zugang zu sauberem Trinkwasser zwei zentrale Probleme.
Handlungsschwerpunkte der Klimapartnerschaft
Der Klimawandel stellt uns weltweit vor große Herausforderungen. Gerade der lokalen Ebene, also den Kommunen, kommt eine Schlüsselrolle in der Realisierung von Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen zu. Im Rahmen von Klimapartnerschaften übernehmen Kommunen mit ihren Partnern im Globalen Süden gemeinschaftlich Verantwortung für das Weltklima. Deutsche Kommunen entwickeln gemeinsam mit ihren Süd-Partnern Handlungsprogramme mit ganz konkreten Zielen und Maßnahmen im Klimaschutz und bei der Klimaanpassung. Mit einer strategisch vereinbarten Klimapartnerschaft wird der Austausch von kommunalem Know-how befördert.
Ab 2014 ist das Engagement Ludwigsburgs und Kongoussis in eine neue Phase eingetreten. Als Teil des Programms „50 kommunale Partnerschaften“ zwischen Städten aus Deutschland und Afrika, Asien und Lateinamerika haben Ludwigsburg und Kongoussi ein Memorandum of Understanding unterschrieben und nach einer Auftaktveranstaltung in Kapstadt ein gemeinsames Handlungsprogramm aufgesetzt. Ziel war die Verbesserung der Lebensbedingungen der vom Klimawandel betroffenen Menschen in Kongoussi durch die Verbesserung der Wasserversorgung und des Wassermanagements, den Schutz der natürlichen Wasserressourcen, die Verbesserung der Sanitärsituation, der landwirtschaftlichen Produktivität und des Energiemanagements durch den Einsatz von Solartechnik sowie die Sichtbarmachung der Klimapartnerschaft in den zwei Städten. Innerhalb der Verwaltungen wurden passende Arbeitsstrukturen aufgebaut. Beteiligt sind bis heute Akteur*innen aus Verwaltung, Zivilgesellschaft und Politik. Seit 2022 obliegt die Klimapartnerschaft dem Referat Stadtentwicklung, Klima und Inter-nationales, das in enger Absprache mit dem Förderkreis Burkina Faso agiert. In Kongoussi ist ebenfalls die Kommune, seit 2022 die Délégation Spéciale unter Leitung des Präfekten für die Klimapartnerschaft zuständig; AZND übernimmt die Koordinierung und Durchführung der Projekte vor Ort. Unterstützer und Förderer dieses Prozesses ist Engagement Global gGmbH, die im Auftrag der Bundesregierung arbeitet und vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung finanziert wird. Engagement Global informiert und berät Einzelpersonen, Zivilgesellschaft, Kommunen, Schulen, Wirtschaft und Stiftungen zu entwicklungspolitischen Vorhaben und fördert diese finanziell.
Die Stadt Kongoussi und die dazugehörigen 57 Dörfer liegen in der Sahelzone. Die Sahelzone
ist besonders stark von den Folgen des Klimawandels betroffen. Immer längere
Dürreperioden und extreme Wetterphänomene wie Starkregen beeinträchtigen das Leben der Menschen auf dem Land wie in den Städten. In den ländlichen Gebieten rund um Kongoussi ist die Wasserversorgung nicht gesichert. Während der Trockenzeiten gibt es
einen gravierenden Mangel an Trinkwasser. Die traditionellen, selbst gegrabenen Brunnen versiegen und der Weg zur nächsten Trinkwasserquelle ist sehr weit, manchmal mehrere
Kilometer. Aufgrund der ständigen Überlastung der veralteten Pumpen kommt es zudem zu häufigen Pannen und langen Wartezeiten an den Wasserstellen. Deshalb wird oft hygienisch bedenkliches Wasser zum Essen und Trinken verwendet, was zu vermeidbaren Erkrankungen wie Wurm- und Durchfallerkrankungen führt. Diese Situation wird aktuell durch die Präsenz von tausenden Binnenvertriebenen verschärft, die aufgrund der sich verschlechterten Sicherheitslage in manchen Teilen der Sahelzone aus ihren Städten und Dörfern geflohen sind und Zuflucht in Kongoussi gefunden haben.
Auf dem Land lassen extreme Regenfälle fruchtbarer Boden wegschwemmen. Die Folge sind geringe Ernteerträge und das Verschwinden der Vegetation in der Region, was durch Überweidung und Abholzung noch verschlimmert wird. Des Weiteren ist der Bamsee, das wichtigste Wasserreservoir der Region, durch den ausbleibenden Regen, den Eintrag von Sand durch heftige Gewitterregen und die zunehmende Wasserentnahme durch Bauern gefährdet.
Die Folgen des Klimawandels sind für die Gesundheit von Menschen und Tieren verheerend: u.a. Anstieg der Sterblichkeitsrate aufgrund der Hitze, Schwankungen bei der saisonalen Verteilung und Übertragung von vektorübertragenen Krankheiten (Masern, Röteln, Malaria, Meningitis), Anstieg der Übertragung von wasserbürtige Krankheiten (Cholera, Typhus, …) und Auftreten neuer Krankheiten, anhaltende Unterernährung, Produktivitätsrückgang in der Tierproduktion, Ausbreitung von Tierseuchen und eine höhere Sterblichkeitsrate der Tiere.
Die gemeinsamen Projekte sollen durch Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen Bevölkerung und Umwelt in und um Kongoussi im Angesicht der Klimawandelfolgen resilienter machen.
In Ludwigsburg gibt es ein kommunales strategisches Handlungsprogramm zur Reduzierung klimaschädlicher Emissionen, den Ausbau nachhaltiger Energie und vieler einzelner Maßnahmen zur Verbesserung des Stadtklimas
Projekte aus der Zivilgesellschaft: die Rolle des Förderkreises Burkina Faso e.V. und AZND
Besonders erwähnenswert für die Klimapartnerschaft ist die wichtige Rolle zwei zivilgesellschaftlicher Organisationen: Die Association Zood Nooma (AZND) in Kongoussi und der Förderkreis Burkina Faso e.V. in Ludwigsburg. 2012 hat der Förderkreis mit Spenden eine Berufsschule für Zweirad- und Pumpenmechaniker konzeptionell entwickelt und gebaut. Für rund 100.000 € konnte eine Werkstatt mit Unterrichtsraum, Lager und Toiletten sowie ein Verwaltungsgebäude auf einem von der Gemeinde Kongoussi zur Verfügung gestellten Gelände errichtet werden. Den Löwenanteil in Höhe von 62.000 € für die Finanzierung brachten Spenden aus Ludwigsburg. Seit 2016 wird eine für Burkina Faso unübliche duale Ausbildung in enger Kooperation mit örtlichen Handwerkern durchgeführt. Zudem wurde 2016 ein weiterer Ausbildungszweig im Schneiderhandwerk hinzugenommen.
Ein weiteres erfolgreiches Projekt des Förderkreises, unterstützt durch Spenden und Fördermittel von Engagement Global, war 2016 und 2019 der Bau von motorbetriebenen Getreidemühlen in neun Dörfer Kongoussis. Für die Frauen bedeutet die Nutzung der motorgetriebenen Mühlen zum Mahlen von Mais und Hirse eine riesige Erleichterung, da sie für diese überaus kräftezehrende Tätigkeit früher mehrere Stunden aufwenden mussten, die ihnen für andere Tätigkeiten in Haus und Hof, vor allem aber für die Feldarbeit und für die Erziehung der Kinder fehlten. Zur Verwaltung des Betriebs wurden aus Frauen bestehende Mühlenkomitees gebildet.
Die Association ZoodNooma pour le Développement (AZND) ist eine von der burkinischen Regierung anerkannte Nichtregierungsorganisation, die berechtigt ist, Entwicklungsprojekte in Burkina Faso zusammen mit ausländischen Partnern durchzuführen. AZND und ihr Präsident Oscar G. Sawadogo arbeiten seit über zwanzig Jahren erfolgreich mit der Deutschen Welthungerhilfe zusammen. Ihr Know-How und ihre langjährige Erfahrung mit partizipativen Entwicklungsprojekten im ländlichen Bereich ist für die Implementierung und Evaluierung der Maßnahmen vor Ort essenziell.
Gemeinsame Projekte der Städte Ludwigsburg und Kongoussi im Rahmen der Klimapartnerschaft
Ab 2017 startete eine zu 90% durch Engagement Global geförderte Projektphase, im Rahmen des Förderprogramms für Kommunale Klimaschutz- und Klimaanpassungsprojekte (FKKP). Die restlichen 10% bezahlte die Stadt Ludwigsburg und der Förderkreis Burkina Faso e.V. Über drei Jahren wurden gemeinsam mit der Kommune Kongoussi und AZND sowie dem Förderkreis Burkina Faso verschiedene Projekte zur Verbesserung des Zugangs zu sauberem Trinkwasser, der hygienischen Situation und der landwirtschaftlichen Produktivität und zur öffentliche Sichtbarmachung der Klimapartnerschaft in beiden Städten durchgeführt. In sechs Dörfern um Kongoussi wurden sechs Brunnen mit solarbetriebenen Pumpen sowie 80 Latrinen für Dorfbewohner*innen gebaut. Mittels der Latrinen können Grundwasserverschmutzung und die Ausbreitungen von Krankheiten verhindert und aus den Fäkalien sogar Dünger gewonnen werden. Aus landwirtschaftlichen Abfällen wurde Biokohle erzeugt. In Kongoussi-Centre wurde zur Sensibilisierung der Bevölkerung ein Klimainfozentrum gebaut. In Ludwigsburg entstand das modellhafte „Burkinische Dorf“ in Nähe des Rathauses, das bildhaft die Projekte der Klimapartnerschaft und die Gemeinde Kongoussi vorstellt. 2017 fuhren zwei städtische Busse öffentlichkeitswirksam als „Kongoussi-Express“ mit Plakaten und Flyern zur Klimapartnerschaft durch die Stadt.
Im Dezember 2022 ging die zweite, durch Engagement Global geförderte FKKP-Projektphase zu Ende. In diesem Rahmen wurden ab 2020 weitere gemeinsame Projekte erfolgreich durchgeführt. Vier weitere Brunnen mit solarbetriebener Pumpe wurden gebaut. Im Rahmen von Fortbildungen haben Auszubildende der Berufsschule Kongoussi, Dorfeinwohner*innen sowie geflüchtete Frauen Solar-Home-Systems und energiesparende Kochstellen gebaut. 145 Solarlampen wurden an wichtigen Straßenzügen Kongoussis aufgestellt. Im November 2021 setzte die Bürgerschaft der burkinischen Stadt Kongoussi ein wichtiges Zeichen gegen den Ressourcenverbrauch und für den Umweltschutz. Unter dem Motto „Meine Stadt ohne Plastiktüten!“ organisierte die Partnerorganisation AZND in Kooperation mit UN-Habitat eine Sensibilisierungswoche, um auf die verheerenden Folgen des Plastiktütenverbrauchs aufmerksam zu machen. Zum Abschluss der Aktionswoche wurde das Klimainfozentrum in Kongoussi feierlich eingeweiht.
Ein Höhepunkt war das persönliche Treffen der Kooperationspartner in Dresden und Ludwigsburg im September 2022, im Rahmen der 5. Partnerschaftskonferenz zwischen deutschen und afrikanischen Kommunen. Es war das erste Treffen im Rahmen des FKKP-Projekts. Aufgrund der Pandemie und der schwierigen Sicherheitslage in Burkina Faso war es nicht möglich, eine Delegationsreise nach Kongoussi zu organisieren. Ziel war es, sich wieder persönlich zu sehen, sich auszutauschen und die gemeinsamen Projekte zu besprechen.
Ausblick
Seit 2015 und insbesondere im letzten Jahr hat sich die Sicherheitslage um Kongoussi und allgemein in Burkina Faso leider erheblich verschlechtert. Zudem kam es zu signifikanten politischen Umbrüchen durch die zwei Militärputsche im Januar und September 2022. In dem Zuge wurde die Verwaltungsspitze in Kongoussi durch eine sogenannte „Délégation spéciale“ unter Leitung des Präfekten ersetzt. Im Dezember 2022 ist die Bevölkerung der vier Dörfer, die von den Maßnahmen der zweiten Projektphase der Klimapartnerschaft betroffen war, aus Angst vor terroristischen Anschlägen nach Kongoussi geflohen. Die unsichere Lage in der Region erschwert die Weiterführung von Projekten in den Dörfern; Kongoussi bleibt durch den Einsatz von Soldaten relativ sicher. Der große Andrang an Binnengeflüchteten stellt die Stadt allerdings vor großen Schwierigkeiten, insbesondere bei der Versorgung der Flüchtlinge mit Nahrungsmitteln und Wasser.
Ende Januar 2023 wurde ein Antrag für die nächste Projektphase bis 2026 bei Engagement Global eingereicht. Schwerpunkt ist der Einsatz von Solarenergie in Kongoussi mit der Ausstattung von Schulen und Krankenstationen mit Photovoltaikanlagen, dem Bau eines Brunnes sowie weiterer Solar-Home-Systems und der Einführung eines Ausbildungszweigs in Solartechnik an der örtlichen Berufsschule, die von AZND betrieben und vom Förderkreis Burkina Faso finanziert wird.
Ludwigsburg und Kongoussi einen eine große Verbundenheit und Freundschaft. Aktuell wird gemeinsam ausgelotet, wie die Stadt Ludwigsburg ihre Partnerstadt in der sehr schwierigen aktuellen Situation unterstützen kann und wie sich die Klimapartnerstadt in der Zukunft weiterentwickeln kann. Im Oktober 2023 ist eine einwöchige Delegationsreise aus Kongoussi nach Ludwigsburg geplant.
Elisabeth Meier, Projektkoordinatorin der Klimapartnerschaft Ludwigsburg-Kongoussi, Stadt Ludwigsburg, im April 2023